
SCHULE DER FOLGENLOSIGKEIT
ÜBUNGEN FÜR EIN ANDERES LEBEN
6. November 2020 bis 18. Juli 2021
2020/2021 förderte die Leinemann-Kunststiftung dieses Projekt von Friedrich von Borries und finanzierte drei Stipendien für‘s Nichtstun.
Wie sähe ein Leben aus, das – im ökologischen, aber auch im virologischen Sinne – möglichst folgenlos bleibt? Könnte Folgenlosigkeit ein neues regulatives Ideal werden, wie Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit, unerreichbar, aber dennoch erstrebenswert? Welche Auswirkungen hätte ein solches Streben auf die materielle und immaterielle Gestaltung unseres Alltags, auf die Wirtschafts- und Sozialordnung, auf unseren Glauben und auf die Art, wie wir miteinander umgehen? Und welche Vorbilder lassen sich für ein solches Leben in Gegenwart und Geschichte finden? Diese Fragen stellt die Schule der Folgenlosigkeit, ein künstlerisch-diskursives Projekt von Friedrich von Borries im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (MK&G).
Über die Vergabe von drei Stipendien entschied eine Jury bestehend aus:
Armen Avanessian (HFBK Hamburg)
Tulga Beyerle (Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg)
Friedrich von Borries (HFBK Hamburg)
Eva-Dorothee Leinemann (Leinemann-Kunststiftung Nicolassee)
Höhe des Stipendiums: je 1.600 €
Preisträger:innen
Hilistina Banze
»Ich werde mein Kopftuch eine Woche nicht «, so das Vorhaben der muslimischen Feministin. Die Sozialpädagogin und Integrationsberaterin aus Hamburg möchte ihr auf 3 mm kurzrasiertes Haar zeigen und so gleich mehreren Rollenklischees entgegentreten. Damit setzt Hilistina Banze (31) sich – wie viele andere Bewerber*innen auch – mit den Erwartungen und Rollenbildern auseinander, die insbesondere an Frauen herangetragen werden. Die Jury beeindruckte die Radikalität und die Vielschichtigkeit des Experiments und ist gespannt auf die Erfahrungen, die Hilistina Banze als Frau, als Muslima und als Feministin sammelt.
Mia Hafner
»Ich will für zwei Wochen keine verwertbaren, personenbezogenen Daten über mich generieren.« Das bedeutet umfangreiche Einschränkungen für die 26-jährige Konzepterin und Studentin aus Köln: Kein Smartphone nutzen, keine E-Mails abrufen, nicht online shoppen – allesamt Tätigkeiten, auf die auch viele andere Bewerber*innen verzichten möchten, weil sie zu viel Energie verbrauchen, soziale Beziehungen belasten, zum Konsum verleiten und unkontrollierbare Datenspuren von sich und anderen hinterlassen. Bemerkenswert fand die Jury Mia Hofners Klarheit, mit der sie die Folgen ihres täglichen Handelns reflektiert und sich gleichzeitig bewusst ist, dass sie dem digitalen Datentransfer nicht für immer entkommen kann.
Kimberly Vehoff
»Ich will meinen Beruf nicht ausüben« schreibt die 22-jährige Fachkraft für Lebensmitteltechnik aus Bad Fallingbostel. Stellvertretend für sehr viele Bewerbungen bringt Kimberley Vehoff eine grundlegende Unzufriedenheit mit den ökonomischen Zwängen und dem Leistungsdruck der Gegenwarts- gesellschaft zum Ausdruck. Besonders überzeugend fand die Jury, dass die sozialen Beziehungen von Kimberley Vehoff durch wechselnde Früh-, Spät- und Nachtschichten sowie einer 6-Tage-Woche leiden, und sie das Stipendium nutzen will, diese emotionalen Bindungen wieder zu stärken.